Flucht und Trauma
Was bedeutet ein Trauma?
Ein Trauma stellt ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung dar, welches als extrem belastend erlebt wird und die Bewältigungsstrategien der Frauen übersteigt.
Es entsteht ein ausgeprägtes Erleben von Ohnmacht, Auslieferung und Verzweiflung.
Dabei kann ein Trauma durch direktes persönliches Erleben ausgelöst werden oder auch durch das Miterleben, wie eine andere Person einer massiven Bedrohung ausgesetzt ist.
Ein Trauma kann einmalig oder wiederholt über eine längere Zeitspanne aufgetreten sein. Die Verursacher können Menschen („man-made-Trauma“ z.B. sexualisierte Gewalt) oder „ äußere Einflüsse“ (z.B. Naturkatastrophen, Gefangenschaft, Krieg) sein. Es kommt in der Folge bei den Frauen häufig zu einer Erschütterung des Selbst- und Fremdverständnisses.
Bei der Abspaltung der traumatischen Inhalte entstehen häufig Erinnerungslücken. Zudem entwickelt sich oftmals nach einiger Zeit eine emotionale Taubheit, die die Funktion hat, sich vor weiteren möglichen schrecklichen Ereignissen zu schützen. Reize, die während des Traumas wahrgenommen wurden, werden im sogenannten „Trauma Gedächtnis“ abgespeichert. Diese Reize, (z.B. Gerüche), die dem traumatischen Erlebten ähnlich sind, können nach dem Geschehen eine Wiedererinnerung auslösen (z.B. einschießende Bilder), die von negativen Gefühlen begleitet werden.
Traumafolgestörungen sind demnach vorhanden, wenn die Frauen immer wieder nach der traumatischen Situation, ausgelöst durch ähnliche Reize, dieselben Gefühle in der gleichen Intensität erleben wie in der traumatischen Situation. Aus diesem „Notfallmodus“ kommen die Frauen nicht mehr alleine heraus.
Wie ist diese Reaktion auf ein Trauma zu verstehen?
Die Reaktion auf das Trauma entsteht, da der Mensch auf Überlebensstrategien zurückgreifen muss, weil das Trauma seine eigenen Bewältigungsstrategien übersteigt.
Menschen sind mit einer natürlichen Kampf- und Fluchtreaktion ausgestattet.
In der Traumasituation konnte die Person keine der beiden Reaktionen anwenden, sodass wie bei Tieren auf den „Totstellreflex = Starre“ zurückgegriffen wird. Dies ist oftmals mit einer sogenannten dissoziativen Reaktion verbunden und dient als Schutzmechanismus. (Dissoziation bedeutet Abspaltung).
Diese normale Reaktion auf ein traumatisches Erlebnis ist von den Traumafolgestörungen abzugrenzen, die sich wie folgt zeigen.
Symptome bei Traumafolgestörungen
Körperliche Ebene
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hohe Schreckhaftigkeit und andauernde Übererregung
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Erinnerungslücken bezüglich einiger Traumainhalte, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Alpträume
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verminderte Belastbarkeit, Erschöpfung
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somatische Schmerzen (sogenannte „Körpererinnerungen“ an das Trauma)
Emotionale Ebene
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Betäubtheit und Abgestumpftheit, Gleichgültigkeit, vermehrte Reizbarkeit, Aggressivität, andauernde Angst, eventuell Schuld bzw. Schamgefühle, Freudlosigkeit
Verhaltensebene
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sozialer Rückzug
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Vermeidung von belastungsähnlichen Umständen (z.B. Tätigkeiten, Orte, Personen)
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selbstverletzendes oder suizidales Verhalten
Psychologische Ebene
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Wiedererleben des Traumas durch gedankliche Bilder, die sich ungewollt aufdrängen
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erhebliches Leiden und Beeinträchtigung in beruflichen und privaten Bereichen
Die Symptomatik kann unmittelbar oder auch mit (z.T. mehrjähriger) Verzögerung nach dem traumatischen Geschehen auftreten.
Diagnosen
Zum Spektrum von Traumafolgestörungen zählen:
Akute Belastungsreaktion
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Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS oder engl. PTSD)
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Anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung
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Dissoziative Störung, dissoziative Identitätsstörung
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Anpassungsstörung
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Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline)
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Oft begleitet von Angststörungen, Depression, somatoforme Schmerzstörung
Behandlung von Traumafolgestörungen/ Haltung und Ziele unserer therapeutischen Arbeit
Wir begegnen Frauen mit einer traumasensiblen Haltung, die deutlich macht, dass das traumatische Erleben eine normale Reaktion auf ein schreckliches abnormales traumatisches Ereignis ist. Es ist uns wichtig, das Verständnis der Frauen für die eigene Reaktion auf das traumatische Ereignis zu fördern und das dabei entstandene Gefühlsleben ernst zu nehmen. Der Aufbau und die Stärkung der therapeutischen Beziehung werden als Fundament für die Traumatherapie gesehen.
Zunächst werden die Frauen unterstützt, sich von den traumatischen Erinnerungen (z.B. einschießenden Bildern) distanzieren zu können, um mehr Kontrolle zu erlangen. Aus dem Gefühl "es passiert immer noch" soll das Erleben "es ist vorbei" werden. Dabei tasten sich die Frauen in ihrem Tempo mithilfe therapeutischer Unterstützung an das traumatische Erleben heran. Zudem gilt es, sich zu stabilisieren und ein möglichst sicheres Umfeld zu schaffen damit mögliche erneute Traumatisierungen vermieden werden können. Die Stabilisierung und Reduzierung begleitender Symptome (Ängste, Depression) sollen soweit fortgeschritten sein, dass es den Frauen gelingt, den Alltag wieder leichter zu bewältigen.
Die Verarbeitung und Integration des traumatischen Ereignisses in die eigene Lebensgeschichte sind Hauptbestandteile der therapeutischen Arbeit. Dabei ist die Förderung einer akzeptierenden Haltung gegenüber den nicht mehr rückgängig zu machenden Ereignissen hilfreich.
Ein längerfristiges Ziel besteht letztlich darin, befriedigende Zukunftsperspektiven mit den Frauen zu entwickeln.
In der therapeutischen Arbeit integrieren wir verschiedene Methoden und greifen vor allem auf die Gestalttherapie und körperorientierte Verfahren zurück.